loading . . . KDG gilt für Kolping – richtiges Ergebnis auf falschem Weg Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein **Streit um die Anwendung des katholischen Datenschutzrechts** vor Gericht geklärt werden muss: Der Geltungsbereich des KDG ist notorisch schlecht in einer Form formuliert, die so ähnlich dem kirchlichen Gesetzgeber beim Arbeitsrecht schon einmal um die Ohren geflogen ist.
Kolpingbrüder wallfahren zur Marienkapelle auf dem Karmelenberg. Das ist ohne Frage kirchlich – beim KDG kommt es aber auf die Gesetzgebungskompetenz des Bischofs an, nicht wie fromm man ist. (Foto: Lothar Spurzem (Wikimedia Commons), CC BY-SA 2.0 de, zugeschnitten.)
Damals ging der Streit um eine Einrichtung des Kolpingwerks, die die Grundordnung des kirchlichen Dienstes nicht anwenden wollte. Auch dieses Mal geht es um Kolping, und zwar den Bundesverband: Der wendet zwar die Grundordnung an, vertrat aber die Position, DSGVO statt KDG anzuwenden. Das Interdiözesane Datenschutzgericht hat nun festgestellt: Das KDG gilt für Kolping (IDSG 10/2023 vom 17. 9. 2025). Auch wenn das Ergebnis richtig ist: Der Weg dorthin überzeugt nicht.
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1 Der Fall
2 Die Positionen
2.1 Datenschutzaufsicht
2.2 Kolpingwerk
3 Die Entscheidung
4 Bewertung
## Der Fall
Nach seiner Satzung ist das Kolpingwerk ein katholischer Verband (Präambel) und ein privater Verein von Gläubigen ohne Rechtspersönlichkeit (§ 4 Abs. 1 i.V.m. cc. 321–326 CIC) und unterliegt der kirchlichen Aufsicht (§ 4 Abs. 1 i.V.m. c. 305 CIC). Die Satzung und ihre Änderungen müssen durch die Deutsche Bischofskonferenz gebilligt werden (§ 4 Abs. 4), damit liegt ein nationaler Verein vor (c. 312 § 1 Nr. 1 CIC). Gemäß Satzung werden die Grundordnung des kirchlichen Dienstes (§ 4 Abs. 4) sowie die Interventions- und Präventionsordnung (§ 4 Abs. 5) angewandt. Eine **Regelung zum anzuwendenden Datenschutzrecht fehlt**.
Der Verband geht davon aus, dass die DSGVO angewandt wird, was er unter anderem durch seine Datenschutzhinweise auf der Webseite deutlich macht. Die zuständige kirchliche Datenschutzaufsicht (für das Kolpingwerk mit Sitz in Köln also das KDSZ Dortmund) hatte schon 2018 beim Verband nachgefragt, warum es glaube, dass kein KDG zur Anwendung komme, weit später (2023) erging ein Bescheid, dass das Kolpingwerk unters KDG fällt.
Der Verband der Diözesen Deutschlands hatte außerdem 2023 mitgeteilt, dass eine Satzungsänderung nur dann genehmigt werde, wenn das KDG ausdrücklich in die Satzung aufgenommen werde.
Das Kolpingwerk begehrte vom IDSG einen Feststellungsbeschluss, dass es entgegen der Auffassung der Datenschutzaufsicht nicht unter kirchliches Datenschutzrecht fällt.
## Die Positionen
### Datenschutzaufsicht
Das KDSZ Dortmund argumentierte, dass das Kolpingwerk **aufgrund des kirchlichen Vereinsstatus** in den Anwendungsbereich des KDG fällt. _(Das ist die eigentliche richtige Lösung des Falls.)_
Das stehe auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Beschluss 2 BvR 209/76 vom 11. Oktober 1977 zur Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ist der Ursprung der später in verschiedenen kirchlichen Rechtstexten, auch dem KDG, aufgenommenen Formulierung von zugeordneten Einrichtungen »ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform«. Das Kolpingwerk selbst bezeichne sich in seiner Präambel als katholischer Verband mit kirchlicher Zielsetzung.
Einen ausdrücklichen Bezug auf das KDG brauche es in der Kolping-Satzung nicht: »Ob ein Objekt einem Gesetz unterfalle, hänge allein von der Anwendung der darin normierten Vorgaben und nicht von einer Zuordnungsentscheidung der Verantwortlichen oder Gremien ab.« _(Das stimmt nur teilweise.)_
Im Verfahren erweiterte die Aufsicht ihre Argumentation und nannte zwei maßgebliche Kriterien, und zwar ohne Rücksicht auf die jeweilige Rechtsform:
1. Teilhabe an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags
2. besondere Verbindung mit den Amtsträgern der katholischen Kirche
Beide Kriterien sah die Aufsicht offensichtlich durch Satzungsregelungen als erfüllt an, ohne das noch näher auszuführen. Die Teilhabe am kirchlichen Auftrag dürfte durch die kirchliche Zielsetzung offensichtlich sein, die Verbindung zu Amtsträgern durch die Erfordernis der Satzungsgenehmigung, der Zustimmung zur Kandidatur als Präses oder geistliche*r Leiter*in, die Errichtung als kanonischer Verein und die Unterstellung unter die kirchliche Aufsicht.
Das Erfordernis, das KDG in der Satzung aufzuführen, sei nicht konstituierend für die Rechtsanwendung, sondern lediglich deklaratorisch. Dementsprechend stelle der Aufsichtsbescheid auch lediglich die bestehende Rechtslage dar, ohne selbst konstitutiv zu wirken.
### Kolpingwerk
Neben der Rüge von Verfahrensmängeln bringt das Kolpingwerk auch materielle Gründe vor: Es sei kein »sonstiger kirchlicher Rechtsträger« im Sinn von § 3 Abs. 1 lit. c) KDG, da das nach systematischer Auslegung »nur ein solcher der verfassten Kirche« sein könne. (Dieses Argument wird nicht ausgeführt.)
Außerdem sei die Anwendung des KDG europarechtswidrig, weil Kolping schon die KDO nicht angewandt habe; es soll also wohl vertreten werden, dass die Stichtagsregelung aus Art. 91 Abs. 1 DSGVO die Folge hat, dass kirchliches Datenschutzrecht nur in Einrichtungen angewandt werden darf, in denen schon vor Inkrafttreten der DSGVO kirchliches Datenschutzrecht angewandt wurde._(Diese Argumentation trägt nicht, wie später festgestellt wird, Art. 91 DSGVO hebt nicht auf einzelne Verantwortliche ab.)_
Schließlich sei die Entscheidung des BVerfG nicht hinreichend, um das KDG verbindlich zu machen: Sie bedeute für das Kolpingwerk nur, »dass es aus Sicht des weltlichen Staates kirchliches Recht anwenden dürfe«. _(Diese Position ist korrekt.)_ Diese Position würde auch vom Zuwendungsgeber VDD vertreten, indem dieser nur bestimmte Teile des kirchlichen Rechts in der Satzung übernommen sehen will.
Die Aufsicht maße sich mit ihrer Entscheidung Kompetenzen an, die nur der Deutschen Bischofskonferenz zustünden: »Deren Sache sei es zu befinden, welche Voraussetzungen das Kolpingwerk Deutschland aus Sicht der Kirche erfüllen müsse, um ein freier Verein von Gläubigen nach dem CIC zu sein.« (Unklar ist, ob hier nur irrtümlich »freier Verein von Gläubigen nach dem CIC« steht, obwohl es sich klar nicht um einen freien Zusammenschluss von Gläubigen, sondern um einen privaten Verein handelt, oder ob tatsächlich doch behauptet wird, entgegen der Satzung handle es sich um einen freien Zusammenschluss statt eines privaten Vereins.)
Der Verband befürchtet, dass staatliche und kirchliche Aufsichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und staatliche Aufsichten eine Anwendung der DSGVO, kirchliche des KDG annehmen. _(Hier sieht das Gericht kein Problem, weil Präzedenzfälle, auf die nicht näher eingegangen wird, kooperativ von den beteiligten Aufsichten gelöst werden konnten.)_
## Die Entscheidung
Die Anträge des Kolpingwerks hatten **keinen Erfolg**.
Ein großer Teil der Entscheidung konzentriert sich auf die Begründung, warum die Aufsicht per Bescheid feststellen konnte, dass für das Kolpingwerk das KDG gilt.
Die Klärung der Frage, ob das Kolpingwerk ein sonstiger kirchlicher Rechtsträger ist, für den das KDG gilt, argumentiert **ausschließlich religionsverfassungsrechtlich**. Auf die eigentlich angesagte kirchenrechtliche Prüfung verzichtet das Gericht trotz kanonistisch qualifiziertem Richter völlig.
Das Gericht argumentiert, dass der Gesetzgeber durch § 3 KDG »die in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verfassungsrechtlich normierte und durch Art. 91 DSGVO in Verbindung mit Erwägungsgrund 165 der DSGVO und Art. 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) europarechtlich aufgenommene Abgrenzung des Bereichs kirchlicher Selbstbestimmung von dem Bereich der für alle geltenden Gesetze« aktualisiere. Dieser verfassungs- und europarechtliche Rahmen habe die Auslegung von § 3 KDG zu bestimmen.
In der Folge wird dann recht konventionell religionsverfassungsrechtlich in der Linie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht darauf abgehoben, dass es nicht auf die Rechtsform ankommt, um in den Bereich des Selbstbestimmungsrecht zu kommen, sondern die Teilhabe am kirchlichen Auftrag. Das Gericht dekliniert die Kriterien durch und kommt zu dem Schluss, dass das Kolpingwerk sie durch die schon erwähnten Satzungsbestimmungen erfüllt.
Es sei nicht erforderlich, dass sich die fragliche Organisation selbst dem KDG unterstellt. Das stehe weder ausdrücklich noch konkludent in § 3 KDG. Zutreffend stellt das Gericht fest, dass hier eine andere Regelung als in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes in ihren Fassungen von 2011 und 2022 getroffen wird. Hier wird als Beleg das Urteil des delegierten Gerichts der Apostolischen Signatur zu einer Kolping-Einrichtung im Erzbistum Paderborn aus dem Jahr 2010 angeführt, ohne näher darauf einzugehen. (Die Jahreszahlen hätten dem Gericht schon Hinweise geben können, dass es sich gelohnt hätte, das Urteil nicht nur anzuführen, sondern auch zu rezipieren.)
Ausdrücklich wendet sich das Gericht gegen die von Hammer in Sydow (§ 3 Rn. 10f.) vertretene Position, dass kirchliche Aufsicht über einen Rechtsträger dazu führt, dass das KDG anwendbar wird. Die Argumentation ist etwas dunkel: Das Gericht vermischt die kirchliche Aufsicht (Vigilanz), insbesondere die Vereinsaufsicht aus cc. 305 und 323 § 1 CIC, mit der Datenschutzaufsicht. Hammer hatte argumentiert, dass das Regelungsziel von Art. 91 DSGVO, keine datenschutzfreien Räume zu erzeugen, dazu führen muss, dass die Einhaltung kirchlichen Rechts im Wege der Aufsicht sichergestellt und gegebenenfalls erzwungen werden können müsse. Hier handelt es sich also gerade nicht um die (kirchliche) Datenschutzaufsicht, sondern um die kirchenobrigkeitliche Aufsicht, also der Unterstellung unter eine kirchliche Autorität. Hammer führt dazu auch zutreffend das Urteil des delegierten Gerichts an, das auf die Gesetzgebungskompetenz des Diözesanbischofs abgehoben hat, die bei Rechtsträgern ohne kirchliche Rechtspersönlichkeit, aber mit kirchlichen Zielen eben nicht von sich aus gegeben ist.
## Bewertung
Das _Ergebnis_ der Entscheidung des IDSG ist ohne Zweifel **korrekt** : Das Kolpingwerk muss das KDG anwenden. Zu diesem korrekten Ergebnis kommt das IDSG aber nur zufällig, weil es die eigentliche Problematik in keiner Weise durchdrungen hat. Das Kolpingwerk muss nicht aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen das KDG anwenden. Es ist genau so, wie von Kolping vorgetragen: Der religionsverfassungsrechtlichen Rahmen _ermöglicht_ Kolping, am Selbstbestimmungsrecht zu partizipieren, legt aber nicht fest, dass (und welches) kirchliche Recht gilt. Das ist eine kirchenrechtliche Frage, in der Kolping irrt: **Der Verband muss aus kirchenrechtlichen Gründen das KDG anwenden.** Er ist ein privater Verein von Gläubigen und unterliegt als solcher der **bischöflichen Gesetzgebungskompetenz**. Damit gilt das bischöfliche Gesetz KDG für das Kolpingwerk so wie jedes andere bischöfliche Gesetz auch. Dabei kommt es gar nicht auf die religionsverfassungsrechtlichen Besonderheiten des Datenschutzrechts an; dasselbe gilt auch für kirchliches Recht, das ebenfalls einen Geltungsbereich wie das KDG definiert, aber kein staatliches verdrängt, etwa das kirchliche Archivrecht. (Diskutieren könnte man allenfalls darüber, ob ein privater Verein ohne Rechtspersönlichkeit wegen c. 310 CIC nicht korporativ reguliert werden kann; dieser Kanon wird aber in der Auslegung auf vermögensrechtliche Fragen enggeführt.)
**Auf das religionsverfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht kommt es gar nicht an.** Das ist nur dahingehend relevant, ob Art. 91 DSGVO greift. Hätte es sich bei der in Frage stehenden Organisation nicht um einen privaten Verein von Gläubigen gehandelt, sondern um einen freien Zusammenschluss von Gläubigen oder um eine caritative Einrichtung in rein bürgerlicher Rechtsform, die sich jeweils nicht in ihren Statuten dem kirchlichen Recht oder Teilen davon unterwerfen, wäre das Gericht mit seiner Argumentation zum selben Ergebnis bekommen: Auch hier ist der religionsverfassungsrechtliche Bereich der Selbstbestimmung eröffnet. Allerdings fehlt es hier an der Gesetzgebungskompetenz des Bischofs, und deshalb gilt dort das KDG (und anderes kirchliches Recht) nicht ohne weiteres, obwohl Art. 91 DSGVO greifen könnte. Weitere Fälle, in denen die Argumentation des IDSG fehlgeht, sind kirchliche juristische Personen, die nicht der Gesetzgebungskompetenz des jeweiligen Diözesanbischofs unterliegen, nämlich juristische Personen päpstlichen Rechts und solche, die zum Apostolischen Exarchat Deutschland und Skandinavien gehören.
Das Ärgerliche an der IDSG-Entscheidung ist, dass genau diese Problematik schon **durch das delegierte Gericht der Apostolischen Signatur höchstrichterlich geklärt** wurde. In dem Fall damals ging es um die Frage, ob die Paderborner Kolping-Bildungswerke gGmbH einfach so entscheiden konnten, die Grundordnung nicht mehr anzuwenden. Das Gericht sagte überzeugend: Ja – weil dieser Rechtsträger nicht der bischöflichen Gesetzgebungskompetenz unterliegt. Nach dem Urteil wurde die Grundordnung angepasst und klar zwischen Rechtsträgern unterschieden, die der bischöflichen Gesetzgebungskompetenz unterliegen, und solchen, die das nicht tun – die müssen dann die Grundordnung per Statut oder verbindlicher Erklärung übernehmen, wollen sie weiterhin im Bereich des Arbeitsrechts auf dem Ticket der katholischen Diözesen am Selbstbestimmungsrecht teilhaben. Zuvor war diese Pflicht nur sehr vage und im Ergebnis zahnlos formuliert. Warum das KDG nicht die klare und kirchenrechtlich größtenteils überzeugende Lösung der reformierten Grundordnung übernommen hat, ist das Geheimnis des Gesetzgebers.
Das alles hätte das IDSG wissen können und müssen. Die Literatur zum Geltungsbereich der Grundordnung ist umfassend, das Urteil des delegierten Gerichts intensiv diskutiert worden. Ich selbst habe in meiner Arbeit zur Geltung des KDG in freien Zusammenschlüssen von Gläubigen diese Literatur ausgewertet, um aus den Erkenntnissen des kirchlichen Arbeitsrechts Schlüsse auf den Anwendungsbereich des KDG zu ziehen. (Und komme auf dieser Grundlage zu dem Schluss, dass es eben doch Fälle kirchlicher, aber nicht kanonischer Vereine gibt, in denen es eine aktive Inbezugnahme des KDG braucht, um es anzuwenden.)
Im zu entscheidenden Fall haben die kirchenrechtlichen Lücken des IDSG zu keinen negativen Konsequenzen geführt. Problematisch wird die Linie des Gerichts, wenn künftig Fälle zu entscheiden sind, in denen kirchliche Institutionen nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, vor allem also freie Zusammenschlüsse von Gläubigen. Hier droht ein **übergriffiges Überstülpen kirchlichen Rechts auf Vereinigungen von Gläubigen** , die bewusst die weiten Möglichkeiten der als Recht der Gläubigen formulierten Vereinigungsfreiheit aus c. 215 CIC nutzen.
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https://artikel91.eu/2025/11/26/kdg-gilt-fuer-kolping-richtiges-ergebnis-auf-falschem-weg/