loading . . . Trumps Ukraine-Friedensplan: Ein Münchner Abkommen für die Ukraine Den folgenden Beitrag habe ich am 24.11.2025 für den Ohrfunk geschrieben.
Fast vier Jahre dauert dieser Krieg nun. Vier Jahre, in denen die Ukraine unvorstellbare Verluste getragen hat, sich aber mit einer Zähigkeit verteidigte, die kaum jemand ihr zugetraut hätte. Vier Jahre, in denen Russland Millionen Leben zerstörte, Städte auslöschte, Menschen verschleppte, folterte, vergewaltigte und auf offener Straße exekutierte. Und jetzt, wo die ukrainische Kraft schwindet und die westliche Unterstützung ins Stocken gerät, präsentiert Donald Trump seinen sogenannten „Friedensplan“ – ein 28-Punkte-Dokument, das erstaunlicherweise mehr mit dem Münchner Abkommen von 1938 gemein hat als mit irgendeinem ernsthaften Versuch, diesen Krieg zu beenden.
Ich habe Trump schon viel zugetraut, aber selten wurde eine Kapitulation so sauber in Business-Deals und Diplomatie-Sprech verpackt. Der Plan ist kein Frieden, er ist ein Siegvertrag für Putin – und zwar einer, für den nicht Russland, sondern die Ukraine den Preis zahlen soll.
Was mich daran so alarmiert?
Es ist das Wiederaufleben einer Logik, die Europa schon einmal ins Verderben geführt hat: Gewalt lohnt sich. Landnahme ist verhandelbar. Wer nur skrupellos genug mordet, darf behalten, was er geraubt hat.
Der Plan legalisiert fast alle russischen Gebietsgewinne. Die Krim: russisch. Luhansk und Donezk: russisch. Teile von Cherson und Saporischschja: eingefroren – also auf Dauer ebenfalls verloren. Die Ukraine soll zusätzlich Gebiete räumen, die sie heute noch verteidigt. Das ist kein Kompromiss, das ist die Zerlegung eines souveränen Staates – und zwar mit amerikanischer Unterschrift und Garantie.
Ich habe 2022, kurz nach den Massakern von Bucha, einen Kommentar geschrieben, der mir damals schwer fiel. Ich habe damals den Artikel der russischen Staatsagentur RIA zitiert – einen offenen, programmatischen Völkermordaufruf. Er verlangte die „Entnazifizierung“ der Ukrainer, ihre „Entukrainisierung“, ihre „Bestrafung“ durch Krieg und Elend. Damals dachte ich: Schlimmer wird es nicht. Aber Trumps Plan zeigt, dass man diese Ideologie offenbar sogar diplomatisch übersetzen kann.
Denn auch in seinem Dokument taucht die Sprache der russischen Propaganda auf: Programme gegen „Nazismus“, kulturelle „Reinigung“, Gleichbehandlung russischer Medien, „Toleranzregeln“ nach Moskauer Geschmack. Dass solche Forderungen überhaupt in einem US-Papier stehen, zeigt, wie tief sich Putins Narrativ bereits in manche westlichen Köpfe gefressen hat.
Der gefährlichste Punkt aber ist ein anderer:
Trumps „Frieden“ würde Europas Sicherheitsarchitektur sprengen.
Die Ukraine dürfte der NATO nie beitreten – nie. Nicht heute, nicht in fünfzig Jahren. Die NATO selbst müsste das in ihre Statuten schreiben. Ein Präzedenzfall, der jedem Aggressor zeigt, wie man einen Nachbarn dauerhaft aus westlichen Strukturen heraussprengt: Man muss ihn nur angreifen.
Und als Belohnung – ja, Belohnung – soll Russland zurück in die G8, in die Weltwirtschaft, in amerikanische Großprojekte in der Arktis und im Energiesektor. Es ist buchstäblich der Gegenentwurf zu München: Dort gaben die Westmächte Land, um Frieden zu kaufen. Hier gibt Trump Land, Kapital, Einfluss und internationale Anerkennung, um sich selbst als Friedensheld zu inszenieren. In München saß die Tschechoslowakei, über die verhandelt wurde, nicht einmal mit am Tisch, aber hier soll die Ukraine ihre eigene Zerstückelung freudig mit unterzeichnen, ein Akt beispielloser Demütigung.
In beiden Fällen aber gilt: Wer einen Aggressor belohnt, kriegt keinen Frieden, sondern den nächsten Krieg.
Ich verstehe, warum viele Menschen nach fast vier Jahren Krieg einfach nur wollen, dass es endlich aufhört. Ich verstehe die Müdigkeit in Europa, die Erschöpfung in der Ukraine, die Gleichgültigkeit mancher Amerikaner. Aber genau diese Müdigkeit ist es, die Autokraten einkalkulieren. Sie war es 1938, und sie ist es auch 2025.
Ein Frieden, der auf Lüge, Gewalt und Erpressung basiert, ist kein Frieden. Er ist die Vorbereitung auf etwas Größeres, Düstereres. Ich habe 2022 geschrieben, dass ich Angst vor dem „Schlund“ habe, vor dem weltweiten Abgrund, der sich öffnet, wenn Gewalt sich lohnt und die Vernunft verstummt. Heute sehe ich diesen Schlund wieder. Vielleicht noch ein Stück größer.
Und deshalb sollten wir Trumps Plan klar als das benennen, was er ist:
Ein Münchner Abkommen des 21. Jahrhunderts.
Nur dass wir diesmal ganz genau wissen, was danach kommt.
Nachtrag: Die EU hat einen alternativen Friedensplan vorgelegt, der unterscheidet sich aber inhaltlich so gut wie nicht vom Trumpschen, drum lohnt es sich nicht, auf ihn einzugehen, auch weil über ihn nicht wirklich verhandelt wird. Trump könnte ihn annehmen und müsste so gut wie keine Kompromisse schließen. https://wahrenhaus.jens-bertrams.de/2025/11/trumps-ukraine-friedensplan-ein-muenchner-abkommen-fuer-die-ukraine/