Stadtfreitagmittag. Ein Himmelslicht wie Behördenflurneon, eilige Stunde um eilige Stunde nur Papierschnipselaufflackern im gemächlichen Kaminbrand der Zeit. Das Leben wird sich gleich erinnern daran, dass es das Spüren zwischen den Dingen ist, das unser Leben füllt - Loslassen, Atmen, Sein.

Stadtmorgen. Fahrzeugmotoren schlürfen erstmal noch Kaffee, Computer regeln die Heizung hoch: das Wort der Stadt lautet Knopfdruckbehaglichkeit. Irgendwo gähnt ein Bagger wie ein Urgetüm.

Stadtmorgen. Der Himmel schiebt unentschieden den Katalog der Möglichkeiten umher - klassisches mausgrau/grausmau oder doch schrägsonnig mit ein paar kecken blauen Durchguckseln? Darunter mäandert das Tagesgeschehen durch Straßen und Stunden, befragt, wo es denn hinwill, zuckt es nur mit Achseln.

Kraken zu beschreiben, ist ein schwieriges Unterfangen. Alles an ihnen ist flüchtig. Svenja Beller: Kraken. Ein Portrait (2025) #buchbeginn

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Dieses kurze Umherfühlen am Morgen, um zu spüren, dass nicht alles schwindet wie ein Traum. Der Blick betastet die Zimmerdecke, Arm und Hand strecken sich und ergreifen ein Gähnen, das Herz leckt am Erinnern. Das Sein schlüpft in den Körper, zieht ihm Zeit an, trinkt den ersten Schluck Bewegung.

Stadtmorgen. Graues Licht setzt die ersten Lebenszeichen. Die kleine Schlange vor der Bäckerei windet sich hungrig. Der Bürgersteig vor der Schule ist wie vollgefegt. Ein Fahrradlicht eilt straßabwärts, wie um noch rasch den Tag zu überholen. Die Lettern des Lebens setzen sich zum Tag zusammen.

Eisstadtmorgen. Aus dem Eichhörnchenschnaufen eines gut eingemummelten Schlafes erwacht die Stadt zum terminschlidderigen Gedönsgebrabbel. Taschen werden gepackt, Kalender und Fahrpläne gecheckt. In mancher Brotdose reist eine Scheibe Stille mit, um in der Teepause die Seele zu nähren.

Stadtsonntagmorgen. Straßen und Fassaden und grauer Himmel stehen statisch, wie auf Pausentaste gedrückt. Bis die Zeit auf den Perlmuttknopf der wolkenverhangenen Sonne drückt und der einherflitzende Punkt eines Eichhörnchens in einer der Kastanien die Reglosigkeit beendet.

Let us consider Elfland as a great National Park, a vast and beautiful place where a person goes by himself, on foot, to get in touch with reality in a special, private, profound fashion. U. K. Le Guin, From Elfland to Poughkeepsie (1972) #buchbeginn Vortragsscript & Liebeserklärung an Fantasy

Stadtmorgen. Der rasch verwehende Schornsteinrauch glaubt innig an die Ewigkeit der Wolke. Das Frühstücksei träumt vom Universum des Huhns. Der Kaugummi am Mülleimerrand träumt von 5-Gänge-Menüs bei Kerzenschein. Unsere Welt ist ein Sammelkorb von Träumen und Zeit.

Stadtabend. Bratwurstduft vom Marktstand lockt Anorakmänner aus den U-Bahn-Höhlen hinauf ins Dämmerlicht. Hinter den seitlich versteckten Gasflaschen des Grills lugt empört eine Juweliersfassade grell hervor. Zwei Hackenporsches veranstalten ein Wettwackeln, während man vorne einträchtig plaudert.

Stadtmorgen. Wie ein Zug Silberfischchen schleichen Autos die quadratischen Fliesenfugen der Stadt entlang. Leben und starre Muster vertragen sich nicht, und so schlüpfen Ameisenmenschen aus Türritzen, laufen quer, ziehen wirre Muster, verweben ihre Lebensfäden zum wirren Knäuel des Alltags.

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten, heißt es. Die Schweine verraten dich mit ihrem entsetzlichen Geschrei, die Schafe aber sterben still. Anna Maschik, Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten (2025) #buchbeginn

"Aber Du hast doch schon alles von der!" "Das sind aber Neuübersetzungen." "Mehrfach. Und die Originale auch noch!" "Neuübersetzungen!!"

Stadtnachmittag. Wie eine neugierige Nachbarin kriecht eisige Luft in die Ecken, lugt durch Ritzen, atmet in ungeschützte Nacken. Nur hinter hochgezogenen Reißverschlüssen und abgedichteten Fenstern lebt man im Warmen und kann sich privat dünken. Die Sonne bleibt heute eine unzuverlässige Freundin.

Nacht zwischen den Lichtern. Hinter den Namen auf den Bahnhofsschildern schweben Lichter im Nichts. Die Reisenden, gespiegelt im Zugfenster, sitzen fahlstarr wie Gespenster. Das gelbe Laufband im Gang denkt sich Ziele aus. Am Ende der Strecke wartet der Schlaf.

Stadtmorgen. Das Morgenrot betupft kurz die Schornsteinspitzen, bevor es ergraut, sie ragen wie Buntstifte aus den Dächern. Reifen ziehen Kreise und Linien; mit Hinundherschritten werden die nassen Wege bekrakelt, man folgt den Mustern des Gestern: der Tag zeichnet sich ab.

Hat von euch wer nen Kontaktlinsen Hohlsauger rumliegen, den ich adoptieren könnte? 👀 Teilt das gerne.💚

Stadtfeierabend. Das Bürolicht packt sich in seinen Mantel und setzt sich müde zu den plaudernden Einkaufsheimweglichtern in die Bahn, neben geschminktem Smartphoneschimmern und duschbedürftigem Dämmer. Die Lichtfäden ziehen ihre Bahnen, von Neon- zu Neonhafen. Ein Kleinkind strahlt ein Plakat an.

Stadtmorgen. Wecker und Kehrmaschine fiepen sich professionellen Gruß zu. Die Skyline versucht vergeblich, die Wolkendecke festzuhalten, die der Tag ihr wegzieht. Ein Glascontainer hustet klirrend, ein Hoftor räkelt sich ächzend. In einer Stunde wieder ist die Stadt gestylt, als habe sie nie geruht.

#InjedemFilm in dem jemand sich zum Schutz vor einem Verfolger im Haus verschanzt, steht plötzlich die Terrassentür offen, und der jemand denkt nur "Upps, hab ich wohl vergessen", guckt sich kurz um, macht die Tür zu UND DENKT SICH NIX MEHR DABEI.

#InjedemFilm wird ein Franzose hinreichend als solcher kenntlich gemacht, in dem er in seiner ersten Szene ein Baguette durch die Gegend trägt.

Mrs. Jane Tabby could not explain why all four of her children had wings. Ursula K. Le Guin / S. D. Schindler, Catwings (1988) #buchbeginn Wiedergelesener Privatklassiker - die Abenteuer einer Gruppe geflügelter Katzen

Stadtmorgen. Der Bürgersteig eine Mischung aus goldener, roter, gelber Herbstblattwunderausstellung mit verschiedenen Modellen und Spucke-Rotze-Hundekackhaufen-Ausweichparcour. Schnell noch eine Gurke fürs Sonntagsfrühstück und eine Rose für die Vase holen, dann kann der entspannte Teil kommen.

Stadtfreitagabend. Für manche beginnt die Clubnacht, für manche endet der Sesselabend. WhatsApp vom Dancefloor, wann geht's ab?! Aber auch das Kopfkissen hat schon zweimal angerufen. Ziele werden in Köpfe gesetzt, lenken Körper zum Hierhin oder zum Dorthin. Ein Gefühl ritzt sich an Zweischneidigem.

Stadtfreitag. In den Pläneschmieden werden Abendtermine festgeklopft. Rechner fahren herunter, Mundwinkel fahren hoch. Nochschnells werden fertiggemacht, Heuteauchnichtmehrs aus Sichtweite geräumt, Auchegaljetzts mit den Mäntelchen des Vergessens abgedeckt (unsichtbar, bis wer drüber stolpert).

Ich frage mich ja schon oft, warum ausgerechnet die, die absolut nicht vorankommen wollen, so oft bestimmen, wo es langgehen soll.

Hier sind doch viele Menschen, bestimmt auch einige aus Wiesbaden/ Mainz. Diese Katze ist in einem Auto von dort unbemerkt nach Siegen gefahren und jetzt hier im Tierheim. Sie ist gechipt aber nicht registriert. Könnt ihr teilen? Er wird bestimmt vermisst!

Stadtvormittag. Pausenrauchende Berufsschüler belegen Spielplatzbänke, rufplaudern mit den Pausensnackeinholern. Ein Warnwestenduo stellt Parkverbotsschilder für den jährlichen Alleenbaumkronenformschnitt auf. Der Tag hangelt sich ächzend die Routine entlang wie ein Turner mit Note "ausreichend".

Stadtmorgen. Wecker klingeln, Heizungen springen an. Leben läuft sich warm, trinkt Heißes, wappnet sich für das Gezucke & Geruckel. Unser Los ist, das Leben oft nur so zu spüren, im Gezeter des Tuns, den kühlen Kuss des Nurseins nur flüchtig anzunehmen, schon in der Tür, auf dem Sprung irgendwohin.

Diese seltsame Diskrepanz, dass oft ein Unglück so befremdend und schwer in der Erinnerung liegenbleibt wie ein durchs Fenster geschleuderter Stein, man aber ein Glücklichseindürfen so bang betrachtet wie gekittetes Glas.

(Tell me why) I don't like Moindays. #moinsongs

Moin over Bourbon Street #moinsongs

Stadtmorgen. Nebel und Dunkelheit verleugnen, dass es Stadt gibt. Für einen Moment ist der im Traum begangene Weg wirklicher als der eigene Atem. Dann drängt der Herzschlag die Hand zum Licht, den Fuß zu Boden, das Denken in den Plan. Hineinschlüpfen in die Pantoffel der Existenz. Kaffee? Gern.

Stadtsonntag. Die Dämmerung döst vor dem Kamin, das halbe Dutzend der hellen Stunden spielt nebenan Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Der Morgen ist gegen Mittag entspannt und gesättigt abgereist. Ein neuer Gast wird bald eintreten, sich als Guter Abend vorstellen und zum Plaudern bei Freunden einladen.

Stadtmorgen. Duschfeucht schälen sich Dächer aus dem Nieselnebel. Ein Kastanienast ragt mit seinen nassen Blättern in den Blick wie ein Mobile aus alten Teebeuteln. Über und in allem liegt ein grauverschleiertes Licht wie das Vorherbild einer Kochwaschmittelwerbung. Die Tischlampe gibt ihr Bestes.

Stadtnacht. Das Leben auf der anderen Seite der Straße ist immer ein wenig ein Spielzeugleben. Schatten gleiten in den Lichtflecken der Hausformen einher, aus Karton geschnitten und unter den Nachthimmel geklebt. Der Mond eine Taschenlampe in einem Zelt. Irgendjemand ersinnt eine Gruselgeschichte.

Beim Aufräumen wiedergefunden: wie ich mir vor Jahrzehnten offenbar mal das Stadtleben vorstellte.

Kopfmorgen. Kreislauf gähnt & sucht die zweite Socke. Eitelkeit hat eine kleine Krise im Bad. Aufmerksamkeit schlürft noch einen Kaffee, bevor sie sich an den Augenrechner setzt. Neugier packt die Tasche, sucht noch den Ohrenspitzer. Routine checkt die S-Bahn-App. Dann los! Traum winkt vom Fenster.

Vollmondabend. Was sind die Spuren, die ich heute hinterlasse? Unterschriften auf Papier, das vergeht. Ein Feuer im Kamin, das erlischt. Ein leeres Glas, ein leerer Teller, ein weitergerücktes Lesezeichen. Der Mond lehrt mich, dass es schön sein kann, keine tiefen Spuren zu hinterlassen auf dem Weg.

Lasse die Autokorrektur den Satz vervollständigen: Morgen in 6 Monaten werde ich wohl eher ein wenig verwandt sein und die Herzensbrecher in den Tag bringen. O.k. ... und was schreibe ich jetzt in den Kalender für den 5. Mai? 🤔

Qwert Zuiopü stürzte durch ein Dimensionsloch. Walter Moers: Qwert (2025) #buchbeginn Einer der wenigen Autoren, die mir die geplante Lesereihenfolge durcheinanderbringen, sobald was Neues herauskommt.

Legenden leben: Hatte eben ein authentisches Anwaltsschreiben mit der Mitteilung in der Hand, der Hund des Klienten habe das Formular gefressen.

Stadtmorgen. Rangierfiepend pickt das Stadtwerkewägelchen den Wegwurf vom Vortag auf. Wie frisch der nachtfeuchten Erde entschlüpft windet sich die Straßenbahn ihr Gleisbett entlang. Es raschelt in den Küchen und den Kastanien. Morgenröte stiehlt sich unter Augenlider und zieht die Vorhänge auf.

Der fast volle Mond schaut auf die dahingesprenkelte Stadt mit all ihren Lichtern und denkt sich: "Sie wohnen doch schon zwischen den Sternen, warum versuchen sie, zu jenen anderen Sternen zu gelangen, die viel zu weit fort sind?"

Er war mehr als nur ein Kater. Er war mein bester Freund. Hat mich durch Crashs begleitet, mich aufmunternd angelächelt. Und viel geredet. Er war ein Kommunikater. Könnten wir ihn einmal durch den Himmel reisen lassen, dass er es sieht vom Regenbogen aus?

Stadtkiosk. Unverkaufte Tageszeitungen beklagen in der Vorabendluft frierend ihr Los. Pakete, zwischen Getränkekästen gestopft, fühlen sich unwillkommen. Hinter dem müde von einem langen Leben voller Blicke matten Fenster räumt ein Schatten die vermuteten Wünsche der Nacht ins Regal.

A sense of wonder. How many times have we heard that advanced as the reason for science fiction? Stephen L. Gillett: World-Building (1996) #buchbeginn

Stadtabend. In dunklen Büros blinken Computer neidisch den Staubsaugern hinterher, weil die doch wissen, wie es jenseits der Glastür aussieht. Die Staubsauger träumen davon, auf langen Beinen über die Dächer zu spazieren, über den Lichtern, unter dem Mond. Der Mond neidet und träumt nicht. Er ist.