loading . . . Das Schweizer LLM: Wenn Werte zu Wettbewerbsvorteilen werden. Teil 2 Geschätze Lesedauer: 9 Minuten
Das ist Teil 2 einer vierteiligen Serie über Europas KI-Renaissance. Die anderen Teile finden Sie hier: [Teil 1: Überblick] | [Teil 3: Deutschlands KI-Offensive] | [Teil 4: Europas Werte-Trumpf ******in Erstellung******]
**TL;DR** **Das Wichtigste in Kürze**
Die Schweiz entwickelt das weltweit transparenteste Large Language Model – trainiert auf dem Alps-Supercomputer, finanziert durch ETH/EPFL, verfügbar als Open Source. Mit über 1.500 Sprachen, ethisch beschafften Trainingsdaten und vollständiger DSGVO-Konformität setzt das Schweizer LLM neue Standards für vertrauenswürdige KI. Während US-Modelle Black Boxes bleiben, macht die Schweiz alles transparent: Code, Daten, Gewichte. Ein Beweis, dass werteorientierte KI nicht nur möglich ist, sondern in vielen Bereichen überlegen sein kann.
Während die Welt gebannt auf die neuesten Ankündigungen aus dem Silicon Valley blickt, bereitet sich in den Schweizer Alpen eine Revolution vor, die das Verständnis von Künstlicher Intelligenz grundlegend verändern könnte. Im Spätsommer 2025 wird ein Land mit gerade einmal 8,7 Millionen Einwohnern ein Large Language Model veröffentlichen, das in puncto Transparenz, Offenheit und ethischer Verantwortung neue Maßstäbe setzt.
Die Botschaft aus der Schweiz ist klar: KI muss nicht undurchsichtig, gewinnorientiert oder von Tech-Giganten kontrolliert sein. Sie kann transparent, gemeinnützig und demokratisch entwickelt werden – ohne dabei an Qualität zu verlieren.
## Das Projekt: Radikale Transparenz trifft auf Spitzentechnologie
Was die ETH Zürich, die EPFL und das Schweizer Nationale Supercomputing-Zentrum (CSCS) gemeinsam entwickeln, ist weit mehr als nur ein weiteres Sprachmodell. Es ist ein Manifest für eine andere Art von KI-Entwicklung.
**Die technischen Eckdaten beeindrucken:**
* **Zwei Modellgrößen** : 8 Milliarden und 70 Milliarden Parameter
* **Über 1.500 Sprachen** im Training – mehr als jedes andere öffentliche Modell
* **15 Billionen Tokens** an Trainingsdaten, ethisch beschafft und kuratiert
* **Vollständige Offenlegung** : Quellcode, Modellgewichte und Trainingsdaten werden unter Apache-2.0-Lizenz veröffentlicht
Doch die wahre Revolution liegt nicht in den Zahlen, sondern im Ansatz: Während US-Konzerne ihre Algorithmen als Geschäftsgeheimnisse hüten, macht die Schweiz alles transparent. „Wir wollen, dass jeder verstehen kann, wie unser Modell funktioniert und womit es trainiert wurde“, erklärt das Projektteam.
## Der Alps-Supercomputer: Europas KI-Kraftwerk
Das Herzstück des Projekts ist der Alps-Supercomputer in Lugano – eine der modernsten KI-Anlagen der Welt. Mit über 10.000 NVIDIA Grace-Hopper-Superchips gehört er zu den leistungsfähigsten Systemen Europas und wurde explizit für KI-Forschung konzipiert.
**Besonders bemerkenswert:** Alps läuft mit 100% klimaneutralem Strom. Während andere Rechenzentren den CO2-Aussgang ihrer Länder in die Höhe treiben, setzt die Schweiz auf nachhaltige KI-Entwicklung. Ein Symbol dafür, dass technologischer Fortschritt und Umweltverantwortung Hand in Hand gehen können.
Der Supercomputer wurde nicht nur für dieses eine Projekt gebaut, sondern als langfristige Investition in die europäische KI-Souveränität. „Wer bei KI mitreden will, braucht eigene Infrastruktur“, so die Überzeugung der Schweizer Forschungsgemeinschaft.
## Mehrsprachigkeit als Weltpremiere
Während die meisten LLMs stark auf Englisch fokussiert sind, geht das Schweizer Modell einen radikal anderen Weg: **Über 1.500 Sprachen** wurden in das Training einbezogen – von Weltsprachen bis hin zu bedrohten Minderheitensprachen.
**Die Verteilung der Trainingsdaten:**
* 60% Englisch
* 40% andere Sprachen (über 1.500 verschiedene)
* Besondere Berücksichtigung seltener und Minderheitensprachen
* Programmcode und mathematische Inhalte für technische Anwendungen
Diese Sprachvielfalt ist kein Selbstzweck, sondern eine bewusste politische Entscheidung. „Sprache ist Kultur“, betonen die Entwickler. „Wer nur auf Englisch trainiert, reproduziert eine englischsprachige Weltsicht.“ Das Schweizer Modell soll hingegen die kulturelle Vielfalt der Menschheit widerspiegeln – ein Ansatz, der besonders in der vielsprachigen Schweiz auf fruchtbaren Boden fällt.
## Ethische Datensammlung: Transparenz von Anfang an
Wo andere Modelle mit fragwürdig beschafften Internetdaten trainiert werden, setzt die Schweiz auf **ethische Datensammlung**. Das bedeutet:
* **Respektierung von Opt-Outs** : Websites, die explizit das Crawling untersagen, werden respektiert
* **Urheber- und Persönlichkeitsrechte** : Strikte Einhaltung von Datenschutz und Urheberrecht
* **Transparente Quellen** : Offenlegung aller verwendeten Datensätze
* **Qualität vor Quantität** : Kuratierte, hochwertige Daten statt maximaler Datenmenge
„Wir haben bewusst auf viele Datenquellen verzichtet, um ethische Standards einzuhalten“, erklärt das Projektteam. „Das Ergebnis zeigt: Qualität schlägt Quantität.“
Die verwendeten Daten stammen aus:
* Wikipedia und anderen offenen Enzyklopädien
* Explizit für Forschung freigegebene Textkorpora
* Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Bücher
* Offene Software-Repositorien für Programmcode
* Nachrichtenarchive mit entsprechenden Lizenzen
## Digitale Souveränität: Europa nimmt das Heft in die Hand
Das Schweizer Projekt ist mehr als ein technisches Vorhaben – es ist ein politisches Statement. In einer Zeit, in der kritische digitale Infrastrukturen zunehmend von wenigen Tech-Konzernen dominiert werden, setzt die Schweiz auf **digitale Souveränität**.
**Was das konkret bedeutet:**
* **Keine Abhängigkeit** von ausländischen KI-Anbietern
* **Vollständige Kontrolle** über Algorithmen und Daten
* **Compliance** mit europäischen Gesetzen von Grund auf
* **Nationale Sicherheit** durch eigene KI-Kapazitäten
„Wer seine digitale Zukunft anderen überlässt, verliert die Kontrolle über seine Gesellschaft“, warnen die Projektverantwortlichen. Das Schweizer Modell soll beweisen, dass Alternativen nicht nur möglich, sondern überlegen sein können.
## Regulatorische Sicherheit: DSGVO und AI Act als Designprinzipien
Während US-Modelle oft nachträglich an europäische Gesetze angepasst werden müssen, wurde das Schweizer LLM von Anfang an mit **Compliance im Fokus** entwickelt:
* **DSGVO-konform** : Datenschutz als Grundprinzip, nicht als Nachgedanke
* **EU AI Act** : Berücksichtigung der neuen EU-Regularien für KI-Systeme
* **Schweizer Datenschutzgesetze** : Einhaltung der strengen nationalen Vorschriften
* **Auditierbarkeit** : Vollständige Nachvollziehbarkeit aller Entscheidungen
Für Unternehmen in regulierten Branchen – Finanzsektor, Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung – ist das ein entscheidender Vorteil. Statt aufwendiger Compliance-Prüfungen können sie auf ein System setzen, das von Grund auf rechtskonform entwickelt wurde.
## Open Source als Innovationstreiber
Die Entscheidung für **vollständige Offenheit** unter Apache-2.0-Lizenz ist bewusst getroffen:
**Vorteile des Open-Source-Ansatzes:**
* **Vertrauen** : Jeder kann den Code prüfen und verstehen
* **Innovation** : Weltweite Entwicklergemeinschaft kann beitragen
* **Anpassbarkeit** : Unternehmen können das Modell für ihre Bedürfnisse modifizieren
* **Nachhaltigkeit** : Keine Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter
* **Demokratisierung** : Kostenlosen Zugang für Forschung und Bildung
„Open Source ist nicht nur ein Lizenzmodell, sondern eine Philosophie“, betont das Projektteam. „Wir glauben, dass die besten Lösungen entstehen, wenn Menschen zusammenarbeiten, nicht gegeneinander konkurrieren.“
## Anwendungsbereiche: Vom Klassenzimmer bis zum Krankenhaus
Das Schweizer LLM zielt auf breite Einsatzmöglichkeiten:
**Bildung und Forschung:**
* Universitäten können eigene Modelle entwickeln und erforschen
* Schulen erhalten Zugang zu datenschutzkonformer KI
* Forscher können Algorithmen und Daten wissenschaftlich untersuchen
**Öffentliche Verwaltung:**
* Behörden können KI nutzen, ohne Daten an private Anbieter zu übertragen
* Mehrsprachige Bürgerservices in allen Landessprachen
* Transparente und nachvollziehbare Entscheidungshilfen
**Unternehmen:**
* Besonders geeignet für Branchen mit hohen Datenschutzanforderungen
* On-Premise-Betrieb ohne externe Abhängigkeiten
* Anpassung an spezifische Geschäftsanforderungen möglich
**Internationale Organisationen:**
* NGOs können seltene Sprachen unterstützen
* Entwicklungsorganisationen erhalten kostenlosen Zugang zu KI
* Kulturelle Institutionen können Spracherhaltung betreiben
## Die Grenzen der Schweizer Strategie
Bei aller Begeisterung: Das Schweizer Modell hat auch seine Grenzen. Die Entwickler sind ehrlich über die **bewussten Trade-offs** :
* **Nicht das größte Modell** : Mit 70 Milliarden Parametern kleiner als GPT-4 oder Claude
* **Fokus auf Werte, nicht Performance** : Ethik und Transparenz vor maximaler Leistung
* **Begrenzte Ressourcen** : Staatliche Finanzierung vs. privatwirtschaftliche Milliarden
* **Spezialisierung** : Stärken bei Mehrsprachigkeit und Transparenz, nicht bei allen Aufgaben
„Wir wollen nicht das größte Modell der Welt bauen“, stellen die Entwickler klar. „Wir wollen das **vertrauenswürdigste** Modell der Welt bauen.“
## Kosten und Finanzierung: Investition in die Zukunft
Über die exakten Kosten hüllen sich die Schweizer in Schweigen, aber Experten schätzen das Projekt auf einen **hohen zweistelligen Millionenbetrag**. Finanziert wird es durch:
* **ETH-Rat** : Zentrale Finanzierung für 2025-2028
* **Über zehn Partnerinstitutionen** : Gemeinsame Kostenteilung
* **Öffentliche Hand** : Bewusste Investition in digitale Souveränität
* **Über 20 Millionen GPU-Stunden** auf dem Alps-Supercomputer
Die Investition wird als strategisch notwendig betrachtet: „Was heute Millionen kostet, würde morgen Milliarden kosten – oder gar nicht mehr möglich sein“, argumentieren die Befürworter.
## Internationale Reaktionen: Von Skepsis bis Bewunderung
Die internationale KI-Gemeinschaft reagiert gemischt auf das Schweizer Projekt:
**Befürworter** sehen es als überfälligen Schritt zu mehr Transparenz und Vielfalt in der KI-Entwicklung. „Endlich ein Modell, dem man vertrauen kann“, kommentieren Datenschutzexperten.
**Skeptiker** bezweifeln, ob ein staatlich finanziertes Projekt mit den privatwirtschaftlichen Giganten mithalten kann. „Nette Nische, aber irrelevant im großen Spiel“, heißt es aus dem Silicon Valley.
**Realisten** sehen das Schweizer Modell als wichtige Ergänzung, nicht als Ersatz: „Verschiedene Anwendungsfälle brauchen verschiedene Modelle. Die Schweiz besetzt eine wichtige Nische.“
## Der Schweizer Weg: Vorbild für Europa?
Das Schweizer LLM ist mehr als ein technisches Projekt – es ist ein **Proof of Concept** für europäische Werte in der KI-Entwicklung. Es zeigt, dass Alternativen zu den US-dominierten Ansätzen nicht nur möglich, sondern in manchen Bereichen überlegen sind.
**Die Schweizer Botschaft an die Welt:**
* KI muss nicht undurchsichtig sein
* Ethische Entwicklung ist mit Spitzentechnologie vereinbar
* Kleine Länder können große Innovationen hervorbringen
* Offenheit schlägt Verschlossenheit
* Werte sind Wettbewerbsvorteile
## Ausblick: Was nach der Veröffentlichung passiert
Mit der Veröffentlichung im Spätsommer 2025 beginnt das eigentliche Experiment: Kann werteorientierte KI in der Praxis überzeugen? Die Schweizer sind optimistisch:
**Geplante Aktivitäten:**
* **Developer-Community** : Aufbau einer internationalen Entwicklergemeinschaft
* **Forschungskooperationen** : Partnerschaften mit Universitäten weltweit
* **Weiterentwicklung** : Kontinuierliche Verbesserung durch Open-Source-Beiträge
* **Use-Case-Entwicklung** : Pilotprojekte in verschiedenen Anwendungsbereichen
„Unser Modell ist nicht das Ende, sondern der Anfang“, betonen die Entwickler. „Wir wollen zeigen, dass es einen anderen Weg gibt – einen Weg, der Technologie in den Dienst der Menschen stellt.“
## Fazit: Die stille Revolution aus den Alpen
Die Schweiz beweist mit ihrem LLM-Projekt, dass die Zukunft der KI nicht ausschließlich in den Händen von Tech-Giganten liegen muss. Durch radikale Transparenz, ethische Datensammlung und echte Mehrsprachigkeit setzt das kleine Alpenland neue Standards.
Ob sich dieser Ansatz durchsetzen wird, hängt nicht nur von der technischen Qualität ab, sondern auch davon, ob Anwender bereit sind, Werte höher zu gewichten als pure Performance. Die Schweiz jedenfalls hat eine Alternative geschaffen – jetzt liegt es an der Welt, sie zu nutzen.
Das Schweizer Experiment könnte der Startschuss für eine neue Ära der KI-Entwicklung sein: Eine Ära, in der nicht Marktmacht, sondern Vertrauen entscheidet. Eine Ära, in der Europa das Tempo vorgibt.
_Im nächsten Artikel dieser Serie beleuchten wir, wie Deutschland mit einer Vielzahl eigener Initiativen die Schweizer Pionierarbeit ergänzt und erweitert – von OpenGPT-X bis BayernGPT._
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**Weiterführende Links:**
* ETH Zürich
* EPFL
* Swiss National Supercomputing Centre (CSCS)
* Alps Supercomputer
https://talmeier.de/blog/2025/07/25/das-schweizer-llm-wenn-werte-zu-wettbewerbsvorteilen-werden-teil-2/