loading . . . Artnet AG, ein Epilog Heute fand die letzte Präsenz-Hauptversammlung der Artnet AG statt. Ich war nochmal für die DSW dabei.
Nach dem Übernahmeangebot durch Beowolff Capital waren erwartungsgemäß nur noch wenige Aktionäre anwesend.
Zu Beginn verkündete der Versammlungsleiter Herr Decker, dass der Vorstand Herr Pabst wegen Meinungsverschiedenheiten mit den neuen Eigentümern über die weitere Ausgestaltung seines Amtes gestern abend mitgeteilt hat, für das Amt nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Dazu muss man wissen, dass sein Dienstvertrag wohl am 31.8. auslief - er aber weiterhin als Vorstand bestellt ist. Das bedeutet nichts anderes, als dass man im August eine HV einberufen hat, obwohl mit dem Vorstand noch gar keine Einigung über seine weitere Tätigkeit erzielt war und der HV-Termin daher so nie hätte festgelegt werden dürfen.
Hauptversammlungen ohne Anwesenheit eines Vorstandsmitglieds sind für mich - egal aus welchem Grund - ein rotes Tuch. Es ging heute schliesslich um die Berichterstattung zum vergangenen Geschäftsjahr und es ist absurd, wenn dazu alles vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorgetragen wird, der mit dem operativen Geschäft überhaupt nichts zu tun hat und dazu auch keine Fragen beantworten kann.
Der Vorstand der Weng Fine Art AG, Herr Weng war anwesend und hat in seiner Rede nochmal kurz die Geschichte der Artnet skizziert. Er meinte, der Wertpapierprospekt sei damals zum Börsengang so fehlerhaft gewesen, dass man für so einen Inhalt heute in den Knast wandern würde.
Meine Meinung: Herr Weng, egal wie schlimm oder verlogen der Prospekt war, ich bezweifle, dass man in der Kapitalmarktbananenrepublik Deutschland wegen sowas einfährt. Herr Weng rekapitulierte nochmal die aus seiner Sicht „25-jährige Ausplünderung des Unternehmens”. Es wurde vielfach in die Kasse gegriffen und ggf. dazu passende Dokumente, also wohl Leistungsabrechnungen erstellt.
Das Geschäftsmodell von Artnet sei nicht schlecht, aber unredlich umgesetzt worden. Den Vorstand Herrn Pabst sah er als Marionette seines Vaters Hans Neuendorf. Dieser habe seinem Sohn verboten, die mit der Weng Fine Art vereinbarte Kooperation umzusetzen. Herr Weng kündigte an, gegen die verantwortlichen Personen wegen Untreue juristisch vorgehen zu wollen. Es soll demnächst dazu eine öffentliche Mitteilung geben. „Es ist wahnsinnig schwierig, gegen Personen vorzugehen, die völlig skrupellos agieren“ sagte er und betonte, das Ergebnis der Übernahme mit legalen Mitteln erreicht zu haben.
Ich habe Herrn Weng gebeten, über die Geschichte der Artnet AG ein Buch zu schreiben.
Aus Gründen der Kapitalmarkt-Hygiene hier noch der wesentliche Inhalt meiner Rede, die ich öffentlich festhalten möchte.
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Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
in Anbetracht der neuen Mehrheitsverhältnisse muss ich davon ausgehen, dass das heute die letzte Präsenzveranstaltung ist, die die Artnet AG für ihre Aktionäre abhalten wird. Eine kommende Hauptversammlung wird ja noch über den Squeeze-Out beschliessen müssen. Aber angesichts der Tatsache, dass heute erneut die Ermächtigung zur virtuellen Hauptversammlung auf der Tagesordnung steht, ist davon auszugehen, dass diese kommende, allerletzte Hauptversammlung dann nur im virtuellen Raum stattfinden wird.
Wir als DSW lehnen das natürlich kategorisch ab und werden deshalb gegen den Tagesordnungspunkt 6 stimmen und daraus folgend, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigern. Die Gesellschaft hat ja bereits zwei Mal versucht, sich eine neue Ermächtigung zur virtuellen Hauptversammlung zu holen und ist damit am Votum des Aktionärs Weng Fine Art AG gescheitert. Es ist prinzipiell nachvollziehbar, dass das nun unter den neuen Mehrheitsverhältnissen erneut auf der Tagesordnung steht.
Ich darf aber daran erinnern, dass der aktienrechtliche Squeeze-Out, der auf der kommenden Hauptversammlung beschlossen werden wird, eine Enteignung ist. Es ist eine Enteignung der Minderheitsaktionäre, die sich dem Übernahmeangebot aus welchen Gründen auch immer, nicht angeschlossen haben. Und es ist ihr gutes Recht, sich dem nicht anzuschliessen. Es ist eine Enteignung, die gesetzlich erlaubt ist, für die es eine Abfindung gibt, aber es bleibt trotzdem eine Enteignung. Und darüber sollte nicht im virtuellen Raum debattiert werden - wo sowieso kein Raum für einen direkten Austausch besteht - sondern hier.
Diejenigen, die diese Enteigung durchziehen wollen, sollten den Minderheitsaktionären, die an ihrem Miteigentum am Unternehmen festhalten wollen, direkt gegenübertreten müssen und sich nicht vor ihnen verstecken dürfen. Ich fordere den Vorstand und Aufsichtsrat daher auf, den Tagesordnungspunkt 6 zu streichen.
Was die Tagesordnungspunkte 2 und 3 betrifft, also die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, muss ich anmerken: Wenn ich den Verlauf der letzten Hauptversammlung vom Februar rekapituliere, dieses Schmierentheater, das hier aufgeführt wurde, dann muss ich heute Vorstand und Aufsichtsrat auf jeden Fall die Entlastung verweigern.
Sie sind für die Irreführung der Aktionäre im Vorfeld der damaligen Hauptversammlung verantwortlich. Mit ihrem damaligen Vorschlag zur Neubesetzung des Aufsichtsrats haben Sie den Anschein erweckt, man hätte mit dem Aktionär Weng Fine Art AG eine Einigung erzielt. Doch auf der Hauptversammlung wurde dann ein ganz anderes, offenbar präzise geplantes Schauspiel aufgeführt und über dieses Schauspiel dann hinterher noch die Unwahrheit verbreitet. Ich will das hier und heute nicht nacherzählen, was damals alles passiert ist. Aber auf folgenden Sachverhalt muss ich schon nochmal eingehen:
In der damaligen Einladung zur Hauptversammlung hiess es unter TOP5, ich zitiere: „Der Aufsichtsrat schlägt vor, folgende Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu wählen…“ und es werden die Personen genannt, unter anderem Herr Weng als Vertreter ihres damaligen Großaktionärs Weng Fine Art AG.
Und dann heisst es in ihrer Unternehmensmitteilung nach der Hauptversammlung, ich zitiere: „Herr Weng hat die von der Gesellschaft vorgeschlagene und öffentlich kommunizierte Einigung zur Aufsichtsratswahl völlig unverständlich nicht eingehalten.“
Über diese Einigung zur Aufsichtsratswahl, über diese Liste von Kandidaten wurde aber auf der Hauptversammlung gar nicht abgestimmt. Während die Versammlung lief, kam der Artnet President, Herr Bill Fine ans Mikrofon und zauberte eine ganz neue Kandidatenliste ohne Herrn Weng aus dem Hut, die dann bei der Abstimmung eine Mehrheit bekommen hat. Und natürlich hat Herr Weng dann dagegengestimmt und auch die Kapitalerhöhung wieder blockiert nachdem man ihn ausgebootet hat, das ist ja vollkommen klar. Meine Frage ist also hier: Was ist denn diese Einigung, die Herr Weng angeblich nicht eingehalten hat?**** Darauf möchte ich eine Antwort.
Aus heutiger Sicht mag das alles egal sein, die Weng Fine Art hat ihre Aktien verkauft. Aber mir ist es nicht egal und im Sinne der Aktienmarkt-Hygiene dürfen solche Vorkommnisse nicht unter den Tisch fallen, sondern müssen aufgeklärt und dokumentiert werden.
In der damaligen Unternehmensnachricht hiess es weiter „Die Versammlung verlief zeitweise turbulent, da ein Aktionär oder einige Aktionäre versuchten, ihre persönlichen Interessen mit Hilfe von professionellen Störenfrieden durchzusetzen.“
Also ich habe nur einen Störenfried gesehen, der mir auch von Hauptversammlungen seit 25 Jahren bekannt ist. Was der hier mit seinem Auftritt, für den ich auch den Versammlungsleiter mitverantwortlich machen muss, bezweckt hat und für wen er letztlich aktiv war, weiss ich nicht. Aus ihrer Meldung vom 1. März liest es sich jedenfalls so, als würden Sie Herrn Weng dafür verantwortlich machen wollen, ohne ihn zu nennen.
Ich sehe jedenfalls als einzigen Profiteur dieses damaligen Auftritts die Familie Neuendorf und damit die Artnet AG selbst. Ich bitte Sie uns darüber aufzuklären, ob mein Eindruck richtig ist, machen Sie Herrn Weng dafür verantwortlich oder haben sie Erkenntnisse darüber, wer sonst Herrn K. beauftragt haben könnte?
Ich habe jedenfalls in meinem Leben hunderte Hauptversammlungen besucht und kann sagen: Was Ende Februar hier aufgeführt wurde, gehört mit Sicherheit in die Top 10 meiner Erlebnisse und mit Top 10 meine ich die Liste sortiert nach den Schlimmsten.
Der Höhepunkt dieser überaus bizarren Veranstaltung war natürlich der damalige Auftritt des Investors, der ein Übernahmeangebot ankündigte. Das war für Personen wie mich, die sich ein bisschen mit den Regeln am Kapitalmarkt auskennen, schon sehr ungewöhnlich, um es mal vorsichtig zu formulieren. Und letztlich in der Sache auch vollkommen unglaubwürdig, was man an der unmittelbaren Aktienkursentwicklung ablesen konnte, die negativ bis neutral war.
Es kam dann bekanntlich anders. Die meisten Aktionäre werden gedacht haben: zum Glück! Und es ist nach der langjährigen, schlechten bis stark wechselhaften Unternehmensentwicklung auch ihr gutes Recht, dieses Angebot anzunehmen. Für Freude bleibt trotzdem wenig Raum. Wer in der Anfangszeit bei Artnet zu vielleicht 50 Euro eingestiegen ist, hat nach 25 Jahren fast 80% seines Einsatzes verloren, wer das Geld einfach im DAX angelegt hat, hätte sein Geld fast verfünffacht.
Über die Gründe der langjährigen schlechten Entwicklung dieses Unternehmens ist auf den Hauptversammlungen der vergangen Jahre und Jahrzehnte sicherlich viel gefragt und gesagt worden. Hauptverantwortlich dafür war natürlich die Fam. Neuendorf höchstselbst, das ist klar. Diese vielen Millionen, die hier über die Jahre mit überhöhten Vorstandsvergütungen, Beratungsdienstleistungen usw. aus dem Unternehmen geflossen sind, haben das Aktionärsvermögen ganz erheblich geschmälert.
Ohne die Blockadehaltung der Fam. Neuendorf hätte das Unternehmen vielleicht vor Jahren schon einen anderen, besseren Weg einschlagen können und die jetzige Übernahme wäre nicht notwendig gewesen. Aus Sicht der gebeutelten Minderheitsaktionäre ist es natürlich schade, dass dieses Verhalten mit dem großzügigen Übernahmeangebot an die Fam. Neuendorf sogar noch belohnt wurde.
Was trotz Übernahme noch weitergeht, solange das Unternehmen noch an der Börse ist, sind die in Teilen unsinnigen und irreführenden Unternehmensnachrichten. Am 5. August hiess u.a., ich zitiere „Das Management der Artnet AG unterstützt das öffentliche Übernahmeangebot von Beowolff Capital ausdrücklich und erwartet durch das geplante Delisting eine nachhaltige Stärkung der langfristigen Unternehmensstrategie“.
Das ist natürlich absoluter Quatsch, ein Delisting stärkt keine Unternehmensstrategie. Wenn ein Delisting Teil einer Unternehmensstrategie ist, dann verhöhnt dieses Unternehmen damit letztlich seine Minderheitsaktionäre, seine Miteigentümer die hier vielleicht seit Jahrzehnten dabeigewesen sind und durchgehalten haben. Sei es aus Liebe zur Branche, Gewinninteresse oder anderen Erwägungen. Aber das sie, liebe Vertreter der Artnet AG mit ihren Miteigentümern auf Kriegsfuss stehen und Aktionärsrechte mit Füßen treten, haben die letzten Jahre ja nur allzu deutlich gezeigt.
Auch ihre Nachricht zu den Halbjahreszahlen 2025 ist ja im Grunde grober Unfug. Man kann nicht von „Stabilisierung des Geschäfts“ reden, wenn der Umsatz um 12% zurückgeht. Wenn der Umsatz fünf Mal um stabile 12% zurückgeht, ist die Hälfte des Umsatzes weg. Also so geht das einfach nicht.
Es wird jedenfalls deutlich: Die Übernahme durch Beowolff Capital scheint für die Artnet die einzig verbliebene Alternative gewesen zu sein, ansonsten wären hier wohl in diesem oder dem kommenden Jahr die Lichter ausgegangen. Und das darf und soll natürlich nicht sein.
Zum Schluss bleibt mir nur noch, dem Unternehmen unter neuer Eigentümerschaft alles Gute zu wünschen. Ich weiß aus Gesprächen mit Bekannten und Freunden, die dem Kunstmarkt näher stehen als ich, dass sie ein gutes und begehrtes Produkt haben. Und die Mitarbeiter ihres Unternehmens, die ihre Lebenszeit für Artnet zur Verfügung stellten, haben es verdient, dass sie ihre Arbeit fortsetzen dürfen.
Viele Aktionäre die lange dabei waren, da bin ich mir sicher, hätten sich einen anderes Ergebnis gewünscht. Jedes Unternehmen, dass unter diesen Umständen die Börse verlässt, ist eines zu viel. https://dirkhagemann.substack.com/p/artnet-ag-ein-epilog