* Der Schweizer Robert Walser, Verfasser von „Prosastückli“, hatte einen ausgeprägten Hang zum Diminutiv: „ein Novellelein“, „ein Landschäftchen“ oder auch (man glaubt es kaum): „ein Fräuleinlein“.

🍁(der Herbst in Nippon zeichnet sich immer durch eine wunderbare Klarheit aus, die nach den Monaten der Schwüle wie eine Erlösung wirkt)

„Wegen ungünstiger Witterung fand die deutsche Revolution in der Musik statt.“ (Tucholsky)

高松の池 (heute Abend am Takamatsu)

Blanche

Die Sanma (秋刀魚)-Saison hat begonnen. Der Kopf des Fischs muss immer links liegen, der Reis muss immer links stehen. Die Schälchen für Frauen sind kleiner als die für Männer. [„Sanma“ heißt auf Deutsch „Kurzschnabel-Makrelenhecht“.] Schmeckt vorzüglich.

* Lektüren für‘s Wintersemester (mal sehen, ob die japanischen Studenten damit etwas anfangen können)

* Hachimantai (wild und windig)

• lese „Mimesis“ von Auerbach und wundere mich (nicht), dass solche Bücher heute nicht mehr geschrieben werden

☀️ Spaziergang mit Vulkan

(„einsamer nie als im August“)

„um auf seine tägliche, Handy-abgezählte Schrittzahl zu kommen, unternahm Herr K. ausgedehnte Spaziergänge in seinem Wohnzimmer“

„Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre, und wenn ich Musik höre, fehlt mir erst recht etwas.“ (Robert Walser)

Heute ist der letzte Tag der „Sansa Odori“ in Morioka. (Es gibt vier Grundformen dieses schweißtreibend monotonen, aber sehr kunstvollen Tanzes, den die Kinder hier auf der Grundschule lernen.)

* Kalligraphie-Schreibset

alte Kiefer im Park

Abendstimmung

Bleistiftgebiet

* neue Mikrowelle

負けるが勝ち/„makeru ga kachi“= „verlieren ist gewinnen“ lautet ein bekanntes japanisches Sprichwort. („Der Klügere gibt nach“ ist eine gängige Übersetzung, aber ich weiß nicht, ob das den paradoxalen Sinn der Worte wirklich wiedergibt.)

* Habe hier einen etwas angestoßenen alten Gründerzeit-Sekretär aus der ostpreußischen Familie meiner Mutter. Wurde von Wilhelmshaven nach Yokohama verschifft. Da steht er nun in der Fremde (und wird uns überdauern).

Heute ist „der Tag des Meeres“, aber wir haben es nur bis zum Garten der 公民館 geschafft.

* Bernofskys Walser gibt’s jetzt auch auf Deutsch. Der Titel „Hellseher im Kleinen“ stammt von W.G. Sebald, der wiederum „Logis in einem Landhaus“ mit Worten Walsers aus „Kleist in Thun“ betitelte. (Der nach Berlin emigrierte Schweizer fand sich wieder in dem in die Schweiz geflüchteten Preußen.)

* Winziger Shintoschrein zwischen Häuserwänden. (Haben sie nun den Baum wegen des Schreins stehen lassen - oder umgekehrt?)

Architektur auf der Ginza in Tokyo

Shinjuku

* Die Hêke Monogatari wurde jahrhundertelang nicht in schriftlicher Form tradiert, sondern zum Klang der Biwa vorgesungen. Die Neuübersetzung von Michael Stein ist großartig: überaus reich ausgestattet und kommentiert.

/ an japanischen Universitäten Deutsch zu unterrichten(,) ist eine schräge Mischung aus fachlicher Unter- und kommunikativer Überforderung

„merkwürdiger, geheimnisvoller, vielleicht gefährlicher, vielleicht erlösender Trost des Schreibens: das Hinausspringen aus der Totschlägerreihe“ (Kafka)

„damashi-damashi“ (騙し騙し) ist der jap. terminus technicus für „sich durchwurschteln“, „behelfsmäßig bewältigen“, „vorläufig arrangieren“, „irgendwie klarkommen“…

Die „deutsche Fichte“ im Botanischen Garten; die Silhouette von Miyazawa Kenji, der hier studiert hat; der kleine Teich auf unserem Campus.

Im Nordwesten der Aomori-Präfektur, am Japanischen Meer, ist der Takayama Inari Schrein mit seinen vielen schlangenförmigen „Torii“.

„Schone nicht das critische Amputiermesser!“ (Heines Rat an unsereinen in Social Media)

(der Kreuzgang auf dem Mont St. Michel, ganz ohne Touristen)

Kiefernglück

Es gibt Literatur aus der Schweiz, die sehr eindrucksvoll von so etwas Schrecklichem wie jetzt in Blatten handelt..

* Von unserem Haus kann man zwei Vulkane sehen: den Mount Komagatake und den Iwate-san. Vom Gipfel des Komagatake aus hat man einen tollen Blick bis zum Japanischen Meer. Der Iwate-san ist sehr viel näher, köchelt so vor sich hin, hüllt sich in Wolken. (Hoffentlich bleibt er ruhig.)

/ sich ablösende (abnutzende) Jugenden mit gleichbleibend wechselnden (uneinlösbaren) Sehnsüchten..

Von Lars von Triers „Melancholia“, finde ich, geht ein mächtiger Sog aus. Man kann eine eigentümlich negative Sympathie empfinden für diese Hochzeitsapokalypse. (Was „bedeutet“ die Szene am Anfang mit der Stretch-Limousine?)

Ich mag die Prosa von Akutagawa. Auf der Suche nach einem Zitat von ihm habe ich vorhin nochmal seine späte Erzählung „Der Kappa“ gelesen. (Kappa sind im japanischen Volksglauben Fluss- und Wasserkobolde.) Faszinierender Autor.

Azaleenzeit

* Es müssen nicht die dicken, roten, kommentierten Wälzer sein. Harry Graf Kessler ist auch als Insel-Taschenbuch eine Offenbarung.

(Das Wetter ist hier heute nicht besonders postkartenhaft, aber ich sende mal paar Grüße aus der Präfektur Iwate.)

• Ich habe hier einen Freund, der seit 15 Jahren an einem Buch über „Die Todesstrafe in Ostasien“ schreibt. Heute hat er mir zum ersten Mal einen Teil seines Manuskripts gezeigt. (Es sah aus wie die Mikrogramme „Aus dem Bleistiftgebiet“ von Robert Walser.)

„Das Buch, das man braucht, steht meist direkt neben dem, das man suchte.“ (Aby Warburg)

Peter von Matt ist gestorben.

* Borges hielt in den 60er-Jahren Poetik-Vorlesungen in Harvard.

* Martin Salander gelesen („furibund“; „nichtsdestominder“; „genugtuende Wendung“; „von allen Seiten her toastiert“; „die treffliche Gesponsin“; „Gegenschwäherschaft“; „etwelche Nasenstüberei“; „Privatglück fruktifizieren lassen“; „einige Hunderttausend verabwandelt“..)

Ich hielt “Mulholland Drive” und “Blue Velvet” für das Beste, was David Lynch gemacht hat - bis ich “Twin Peaks” sah.

Es gibt viele Alkoholiker unter den Literaten, aber nur wenige gute Säuferromane. Hier sind zwei: